Ist Nachhaltigkeit Frauensache? Die Öko-Gender-Gap erklärt: Der überraschende Grund dafür, warum Männer sich von einem zu grünen Lebensstil distanzieren. 

Frauen – so scheint es – sind die nachhaltigeren Bürger. Sie sind im Supermarkt bevorzugt mit der eigenen Tragetasche unterwegs und greifen lieber zum umweltfreundlichen Geschirrspülmittel. Zudem ernähren sie sich häufiger vegan und präsentieren sich auf Social Media gern mit Hashtags zum Thema „Zero-Waste-Lifestyle“.

aber warum?

Ist die Ursache in gesellschaftlichen Stigmas zu finden? Nach wie vor verknüpft unsere Gesellschaft Frauen mit Altruismus und Männer mit Egoismus. Lange vermuteten Forscher, dass Frauen schlicht mehr Mitgefühl mit Umwelt, Tieren und Mitmenschen haben. Darum – so die Annahme – gehen sie auch sorgsamer mit dem Planeten um. Aber neuere Sozialstudien zeigen einen ganz anderen Faktor auf. Der macht nicht das fehlende Softie-Gen verantwortlich, sondern hat viel mehr mit Schein als mit Sein zu tun.

Lange vermuteten Forscher, dass Frauen schlicht mehr Mitgefühl mit Umwelt, Tieren und Mitmenschen haben. Aber neue Sozialstudien weisen auf einen ganz anderen Faktor hin, der mehr mit Schein als mit Sein zu tun hat.

Ist die Öko-Gender-Gap nicht eine subjektive Wahrnehmung?

Nein. Zahllose unabhängige Untersuchungen in Industrienationen rund um den Globus zeigen auf, dass Männer weniger recyceln, eher Müll auf die Straßen werfen oder im Park liegen lassen und durchschnittlich einen größeren ökologischen Fußabdruck haben als Frauen. In Großbritannien geben fast drei Viertel aller Frauen an, dass sie im letzten Jahr versucht haben, ethischer zu leben. 

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% aller Frauen
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versuchen, ethischer zu leben

Dasselbe behauptet nur die Hälfte der befragten Männer. Die Veganer – oder besser Veganerinnengesellschaft – in den USA setzt sich zu 79 % aus Frauen und zu 21 % aus Männern zusammen. Bekannte Zero-Waste-Stores bestätigen, dass ihr Kundenkreis zum allergrößten Teil aus Frauen besteht. 

DER TEUFELSKREIS DES FEMININEN​

Leben XX und XY-Chromosomenträger zusammen, entschied historisch betrachtet üblicherweise die Frau, welche Produkte für den gemeinsamen Haushalt gekauft werden. Sie wählt aus, welches Gemüse, welche Müllbeutel, welche Milchmarke gekauft wird – und ob die Güter in der Plastik- oder Stofftragetasche nach Hause transportiert werden. Traditionelle Geschlechterrollen sind mittlerweile zwar eher Ausnahme als Regel. Dennoch treffen Frauen nach wie vor 70 – 80 % der Kaufentscheidungen für Haushaltsprodukte. Häufig sind sie dabei nicht nur für sich selbst im Supermarkt unterwegs, sondern fungieren auch als Einkäufer für die unmittelbare Familie. Oder sie helfen ihren Eltern, Schwiegereltern, Freunden oder Bekannten mit Einkaufsgängen aus. Das logische Resultat: Möchte ein Unternehmen sein neues (nachhaltiges) Waschmittel vermarkten, richten sich Werbung und Produktdesign natürlich auf die Kaufentscheidungsträgerin – und nicht an den Mann, der nur bei Regenwetter und mit einer genauen Einkaufsliste bewaffnet losgeschickt wird.

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% aller Kaufentscheidungen

WERDEN VON FRAUEN GETROFFEN​

Weil Marketing wirkt, greifen immer mehr Frauen zu nachhaltigen Produkten. Mehr neue Produkte werden kreiert und in femininer Optik auf den Markt gebracht. Bingo – ein Teufelskreis des Nachhaltigkeitsmarketings ist geboren.

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% der Kunden in Zero-Waste-Stores

sind Frauen

Männer nehmen das feminine Design und diese weibliche Assoziation natürlich wahr, wenn auch oft nur unterbewusst. Um nicht als „mädchenhaft“ rüberzukommen, greifen sie eben genau nicht zu diesen sorgfältig designten Produkten. Stattdessen landet die männlich wirkende oder geschlechtsneutrale Alternative im Einkaufswagen. Der Umweltfaktor geht dabei unter.

Meat is manly?

Unsere Kultur vermännlicht viele Dinge, die nicht nachhaltig sind: Schnelle Autos, blutige Steaks, den multimillionenschweren CEO (der ist meistens tatsächlich männlich. Ironischerweise verweiblicht aber niemand den Privatjet, mit dem die Tochter des besagten CEOs zum Shoppingtrip nach Paris fliegt.) Sehr wohl feminisiert werden aber Mitleid und der Wille, auf persönlichen Komfort zu verzichten, wenn es dafür allen anderen gut geht.

Unsere Kultur vermännlicht viele Dinge, die nicht nachhaltig sind: Schnelle Autos, blutige Steaks, den multimillionenschweren CEO.

Ergo: Sich um den Planeten, um das Artensterben, um die Tiere in der Massentierhaltung zu sorgen, wird oft in die Kategorie „weiches Frauengeplauder“ eingeordnet.

Das spiegelt sich auch im Diskussionsverhalten wider. Dabei reden die Geschlechter häufig aneinander vorbei: Bei Frauen wirkt der Appell an Ethik und Gerechtigkeit. Männer ändern ihre Meinung eher, wenn sie mit wissenschaftlichen Studien und wirtschaftliche Prognosen konfrontiert werden.

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manly war gestern!

Mittlerweile versucht die Gesellschaft immer intensiver, Männer und Frauen aneinander anzugleichen. Männer sollen gleichzeitig liebende Väter und harte Kerle sein. Und Frauen? Sowieso alles können und tun, was früher Männersache war. Sogar Kinder können wir jetzt bis in die späten 40er bekommen – ganz ohne Mann an unserer Seite. Das Resultat: Viele Männer fühlen sich in ihrer Männlichkeit bedroht und vermeiden deshalb umso stärker Dinge, die weiblich wirken könnten.

Viele Männer fühlen sich in ihrer Männlichkeit bedroht und vermeiden deshalb umso stärker Dinge, die weiblich wirken könnten.

Selbst ist die Frau …

Achtung, jetzt kommt ein kleines bisschen Feminismus (der übrigens nichts mit BH-los und unrasiert zu tun hat, sondern nur die Grundannahme vertritt, dass beide Geschlechter die gleichen Rechte haben sollen). Frauen rund um die Welt kämpfen seit vielen, vielen Jahrzehnten für Dinge, die für Männer selbstverständlich sind. Beispiele gefällig? Das Wahlrecht: in Österreich & Deutschland erst seit 1918 im Gesetz verankert. Studieren: ab 1900 möglich, aber fürs Erste nur an zwei deutschen Unis. Die Erlaubnis, einen Marathon zu laufen: 1967 schockte Kathrine Switzer die Veranstalter des Boston Marathon, die meinten, dass eine Frau physisch nicht in der Lage dazu ist, 42 Kilometer zu laufen.

In vielen Frauen ist die Grundannahme verankert, dass wir selbst für das aktiv werden müssen, was wir als richtig und wichtig ansehen. Männer hingegen können sich viel mehr Vertrauen in große Organisationen leisten.

Große Institutionen oder gar die Regierung baten dabei meist keine Unterstützung, sondern taten ihr Möglichstes, um vorhandene Blockaden noch ein bisschen unüberwindbarer zu machen. Darum ist heute in vielen Frauen die Grundannahme verankert, dass wir selbst für das aktiv werden müssen, was wir als richtig und wichtig ansehen. Männer hingegen können sich viel mehr Vertrauen in große Organisationen leisten. Das hat in der Vergangenheit schließlich gut funktioniert. Gibt es ein Problem, wird eher darauf gewartet, dass jemand „da oben“ dieses in die Hand nimmt: Mit Gesetzesentwürfen oder einer neuen Technologie zum Beispiel.

Wie schließen wir die öko-gender-Gap?

Am besten wäre natürlich ein Umdenken und eine Neukonditionierung unserer Gesellschaft. Dummerweise klappt das aber nicht so einfach. Deshalb müssten die Marketer aktiv werden.

Aber wie konkret? In vielen Fällen reicht es nicht aus, grüne Produkte neutral zu gestalten. 

Men-vironmentally friendly: „Make a men feel like the hero in this ultimative apocalypse story, and he will buy.“

„Environmentally friendly“ muss zu „Men-vironmentally friendly“ werden – also ganz gezielt der Weiblichkeit kontern. Männer wollen sich männlich, sportlich, stark fühlen. Attribute wie „Held“, „Beschützer“, „Überlebender“ zupfen an dieser Saite. Joshua Katcher, Designer der nachhaltigen Männer-Fashion-Linie Brave Gentleman, drückt es so aus: „Make a men feel like the hero in this ultimative apocalypse story, and he will buy.“

Ein konkretes Beispiel

Die Outdoor-Marke Patagonia hat eine starke Umweltpolitik. In ihrem Marketing ist diese aber eher zweitrangig. Im Vordergrund steht die Entdeckerlust, das Abenteurerflair, das Mensch-gegen-die-Elemente-Feeling.

Grün als Trendfarbe der Zukunft?

Die Gender-Stereotypen verändern sich laufend. Und auch die Klimakrise wird mittlerweile als ganz unmittelbare, geschlechterübergreifende Bedrohung gesehen, die Adam und Eva gleichermaßen aus dem Paradies vertreiben könnte. So finden zum Beispiel 80 % der jungen Menschen zwischen 19 und 29 Jahren, dass eine nachhaltige Lebensweise heutzutage deutlich wichtiger ist als noch vor fünf Jahren.

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% der 19-29-Jährigen

finden eine nachhaltige Lebensweise wichtig

Leider ist der Einfluss, den individuelle Handlungen auf Umweltprobleme wie den Klimawandel haben, nicht besonders groß. Solange große Konzerne weiter nach Öl und Gas bohren, ist unser Planet weiterhin in Gefahr. Und ohne globale Politik, die den Fleischkonsum in Industrienationen reduziert, richten auch die motiviertesten Veganer-Familien nicht viel aus.

In den meisten Führungspositionen – sowohl in der Politik als auch in der Privatwirtschaft – sitzen zwar nach wie vor proportional deutlich mehr Männer als Frauen. Doch in jüngster Zeit sorgen Klimakrise und Co. immer öfter für ganz konkrete finanzielle Einbußen. Sinkende Aktienpreise und abspringende Großinvestoren in multinationalen Unternehmen und billionenschweren Industriesektoren wandeln das Thema “Nachhaltigkeit” zu einem brennenden Wirtschaftsproblem. Und damit wiederum – tadaa – zu einer Männerdomäne.

Klimakrise und Co. sorgen immer öfter für konkrete finanzielle Einbußen. Sinkende Aktienpreise und abspringende Großinvestoren wandeln das Thema “Nachhaltigkeit” zu einem brennenden Wirtschaftsproblem – und damit zur Männerdomäne.

Das weckt Hoffnung auf große Veränderungen von oben. Doch um unser aller Zukunft willen ist es auch auf der Mikroebene elementar, dass wir grün von einer Rosa-Schattierung in einen Neutral-Ton verwandeln, der uns allen gut steht. Mit den richtigen Argumenten. Mit dem richtigen Marketing. Und mit dem Vertrauen darauf, dass auch Männer das Wohlergehen unserer Erde keineswegs keineswegs egal ist. 

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